Bargeld für alle!
Vom Bündnis Sahra Wagenknecht wird erwartet, dass es in wenigen Wochen in den Ost-Bundesländern zu einem bestimmenden politischen Faktor wird. Die ZEIT vom 4. Juli nahm dies zum Anlass, die Lage vor Ort zu erkunden: Marcus Jauers Reportage über das BSW in Ostdeutschland1 widmet sich nicht der Chefin, die mit ihren schrillen Tönen die einen begeistert und andere empört, sondern der in den neuen Bundesländern aktiven Basis der Partei. Der Befund: BSW-Mitglieder sind keine gefährlichen Demagogen, sondern bodenständige Pragmatiker.
Zitiert wird in dem Artikel Robert Henning, 35, Gastwirt aus der thüringischen Kleinstadt Bleicherode, der bei der Kommunalwahl am 26. Mai für das BSW mit 56,6 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt wurde. Zuvor war er als Kommunalpolitiker für die LINKE aktiv, mit der er zunehmend unzufrieden war: Er habe dort zum Beispiel nicht sagen dürfen, dass er für die Bezahlkarte für Asylbewerber ist.
Was man als Mitglied der Linkspartei sagen oder nicht sagen darf, sei dahingestellt: Da diese Partei so oder so in der Versenkung verschwinden wird, ist es relativ unerheblich. Interessanter ist die Gegenfrage: Darf man als BSW-Mitglied auch sagen, dass man gegen die Bezahlkarte ist?
Mit vollem Recht ist Sahra Wagenknecht immer als Verteidigerin des Bargelds aufgetreten. Zu den guten Gründen für seine Erhaltung gehört zum Beispiel: Rentner, die auf aufstockende Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, müssen ihre Kontoauszüge dem Sozialamt vorlegen, das prüft, dass sie ja keinen Euro zu viel besitzen (das Schonvermögen beträgt nur 10 000 Euro). Solange es Papiergeld gibt, können sie ihr Erspartes in bar zu Hause bunkern. Millionen machen das so. Vom juristischen Standpunkt aus ist das Sozialbetrug. Vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus ist es Naturrecht.
Wenn man das Bargeld verteidigt und ein unversalistisches Verständnis von Grundrechten vertritt, das die conditio sine qua non jeder linken Position ist, dann ist es zumindest schwierig, ein Recht auf Bargeld für Deutsche zu fordern und es anderen zu verweigern. Schwierig ist es deshalb, weil als Grund für die Einführung der Bezahlkarte der Missbrauch von Sozialleistungen angeführt wird, die von Asylbewerbern angeblich in rauen Mengen ins Ausland transferiert werden. Wer so argumentiert, nimmt allerdings in Kauf, dass dann auch alle anderen Gruppen von Leistungsempfängen in den Verdacht des »Missbrauchs« geraten. Dass die Bezahlkarte für Asylbewerber ein Versuchsballon ist, mit dem sich ausprobieren lässt, was man demnächst mit Arbeitslosen machen kann, haben Vertreter von CDU und FDP ja schon durchblicken lassen. Das BSW wäre gut beraten, gegenüber solchen Positionen eine Brandmauer hochzuziehen: Sonst hätte es seinen Anspruch, soziale Oppositionspartei zu sein, verspielt.
Deshalb: Wehret den Anfängen. Bargeld für alle!
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»Nicht rechtsextrem und nicht linksextrem, wir sind transextrem«, DIE ZEIT Nr. 29/2024, https://www.zeit.de/2024/29/bsw-ostdeutschland-sahra-wagenknecht-partei-rechtsextrem-links. ↩︎